Roboter mit tastsinn
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David V.  

Roboter Vulcan mit Tastsinn von Amazon entwickelt

Amazon hat einen Roboter mit Tastsinn entwickelt. Dieser neue Lagerroboter namens Vulcan kann fühlen und soll den Mitarbeitern helfen, Produkte effizienter aus den Regalen zu entnehmen. Er wurde auf der Konferenz „Delivering the Future“ in Dortmund vorgestellt und bearbeitet bereits Fulfillment-Zentren in Hamburg (Deutschland) und Spokane (Washington).

Laut Amazon ist Vulcan ein „fundamental leap forward in robotics“ – ein bedeutender Fortschritt, der Roboter tastsensibler macht. Aktuell kann Vulcan schon etwa drei Viertel der von Amazon angebotenen Produkte greifen und handhaben.

Vulcan ist mit mehreren Kraftsensoren an seinen Gelenken ausgestattet, mit denen er Kanten und Konturen von Objekten spürt. Damit erkennt der Roboter, wenn er mit einem Artikel in Kontakt kommt, und passt automatisch die eingesetzte Kraft an.

Am Ende seines Greifarms befindet sich ein spezielles End-of-Arm-Werkzeug mit zwei ausfahrbaren Armen – eine Art „Hand“, die wie ein Lineal mit gebogenen Enden aussieht. Diese sogenannten „Paddles“ schieben bereits gelagerte Objekte im Regal zur Seite. Sobald Platz geschaffen wurde, transportiert ein integriertes Förderband das neue Objekt ins Fach.

KI und maschinelles Lernen im Einsatz

Ein zweiter Arm von Vulcan trägt eine Kamera und einen Saugnapf, um Artikel aus den Regalfächern zu holen. Die Kamera identifiziert das Zielobjekt und bestimmt die beste Greifstelle, während der Saugnapf das Teil festhält. Dabei prüft die Kamera in Echtzeit, dass wirklich nur das gewünschte Stück gepackt wird. So verhindert Vulcan Mehrfachgreifen oder Fehlsortieren.

Hinter den Kulissen steuert künstliche Intelligenz (KI) das System. Vulcan wertet physische Sensordaten aus – Berührungs- und Kraftinformationen – um seinen Griff zu optimieren. Er lernt sogar aus eigenen Fehlern: Amazon beschreibt, dass der Roboter mit der Zeit ein Verständnis der physischen Welt aufbaut, „ganz wie Kinder“, wenn er wiederholt Objekte ertastet. Mit jeder Berührung verbessert sich seine Geschicklichkeit, sodass Vulcan in Zukunft noch effizienter arbeiten soll.

Arbeitserleichterung im Lageralltag

Der Einsatzort von Vulcan sind Amazons große Fulfillment-Zentren. Dort arbeitet der Roboter seit Kurzem in den Hochregalen. In Hamburg und Spokane etwa stellt er sich an die oberen Reihen der Lagerregale, die etwa acht Fuß (rund 2,5 Meter) hoch sind. Dieser Bereich war für Menschen bisher nur über Leitern erreichbar. Jetzt nimmt Vulcan den Mitarbeitern diese körperlich anstrengende Arbeit ab.

Er befüllt die oberen Fächer mit großen, kompakten Lagerbehältern („Pods“) und entnimmt dort Produkte. Gleichzeitig kümmert er sich um Regalfächer in Bodennähe, sodass die Mitarbeiter mehr in der ergonomischen Mittelzone bleiben können.

Effizienz trifft Ergonomie

Vulcan wird zusammen mit Menschen eingesetzt: Er teilt sich die Förderlinie mit den Kommissionierern und übernimmt die Teile, die ganz unten oder oben liegen, während der Mensch die mittleren Fächer bearbeitet. Amazon betont, dass man keinen vollautomatischen Lagerbetrieb anstrebt, sondern die Kombination aus Mensch und Roboter. Aaron Parness, Leiter der Entwicklung, sagt: „Vulcan arbeitet gemeinsam mit unseren Mitarbeitern, und diese Kombination ist besser als jeder allein“.

Insgesamt ist Amazon schon stark automatisiert: In den letzten zwölf Jahren wurden über 750.000 Roboter in den Lagern eingesetzt. Diese Roboter erledigen inzwischen rund 75 % aller Bestellungen. Mit dem Vulcan-System sollen noch mehr komplexe Aufgaben automatisiert werden. Nach Unternehmensangaben schafft Vulcan jetzt schon etwa drei Viertel der Artikelauswahl – nur für schwierigere Teile wird weiterhin menschliches Eingreifen nötig.

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Mensch-Roboter-Kollaboration als Erfolgsmodell

Amazon betont, dass Roboter nicht alle Aufgaben alleine übernehmen sollen. Eine „100-prozentige Automatisierung“ sei nicht vorgesehen, sagt Parness. Vielmehr plane man, Roboter und Mitarbeiter gemeinsam zu nutzen. Er gibt das Ziel aus: Man könne etwa 75 % der Arbeit automatisieren, wenn Roboter und Menschen zusammenarbeiten. Amazons Chef-Technologe für Robotik, Tye Brady, erklärt ähnlich, dass die Roboter entwickelt werden, um die Fähigkeiten von Menschen zu verstärken. Er vergleicht sie scherzhaft mit R2-D2 aus Star Wars: Hilfsroboter, die die Produktivität steigern und gleichzeitig für mehr Sicherheit sorgen.

In der Praxis bedeutet das: Vulcan soll jene Tätigkeiten übernehmen, die für Menschen besonders anstrengend oder gefährlich sind, unter anderem stundenlanges Leitern-, auf- und Absteigen oder schweres Heben. Die menschlichen Mitarbeiter können sich dadurch auf andere Lagerarbeiten konzentrieren. Laut Amazon sind in früheren Automatisierungswellen sogar neue Jobs entstanden – zum Beispiel als Assistenten für die Roboter, wenn diese einmal „nicht weiterwissen“.

Grenzen des Tastsinns und technologische Herausforderungen

Die neue Technologie bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Forscher weisen darauf hin, dass der Roboter-Tastsinn bisher nicht an menschliche Hautsensoren herankommt.

Der Robotik-Experte Ken Goldberg (UC Berkeley) warnt, der menschliche Tastsinn sei extrem empfindlich und viel komplexer als jede bisherige Roboterlösung. Er rechnet damit, dass bis zu einem „menschenähnlichen“ Roboter-Tastsinn noch fünf bis zehn Jahre Forschung nötig sein könnten.

Arbeitsmarkt im Wandel?

Automatisierung löst außerdem Debatten um Arbeitsplätze aus. Studien zeigen ein gemischtes Bild: Einerseits können Roboter Jobs überflüssig machen, andererseits entstehen durch höhere Produktivität neue Beschäftigungen.

Amazon weist darauf hin, dass bei ihnen bislang hunderte neue Stellen rund um Roboter und Logistik entstanden sind. Tye Brady betont, dass die Roboter die menschliche Arbeit „amplify“, also verstärken und sicherer machen.

Wohin geht die Reise? Ein Blick in die Zukunft

Für die Zukunft ist klar: Amazon will Roboter wie Vulcan weiter ausrollen und verbessern. Laut Wired plant Amazon, anderen Robotern denselben Tastsinn zu geben und arbeitet an neuen KI-Algorithmen.

Dazu hat Amazon das KI-Startup Covariant übernommen, das an großen Lernmodellen für Industrieroboter geforscht hat. Andere Firmen wie Physical Intelligence entwickeln ebenfalls künstliche Intelligenz, um Roboter „fühlen“ zu lassen.

Die Kombination aus Sensorik, Machine Learning und Robotik steckt noch in den Kinderschuhen, könnte aber künftig viele Arbeitsbereiche verändern. Bis dahin wirst du Vulcan wahrscheinlich als einen hilfreichen Kollegen an den hohen Regalen antreffen – und vielleicht fragt dich dann ein Freund, ob Roboter wirklich fühlen können.

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